En-Passant-Medien sind vor allem Artefakte und alle Arten von Gegenständen, die neben ihrer eigentlichen Funktion zusätzlich für die Mitteilung von Botschaften verwendet werden. Zum Beispiel Kleidung, Böden und Wände, Haut, usw. Aber auch Kommunikationsmedien, die für die Vermittlung sehr restringierter Inhalte gedacht waren / sind, können als En-Passant-Medien verstanden werden (so z.B. Geld und andere Gutscheinsysteme, aber auch Verpackungen und Plakatwände). Das Konzept En-Passant-Medien kann weitreichende Möglichkeiten beinhalten für Untersuchungen zu Repräsentationen und visueller Kommunikation, weil darin die trans-mediale Nutzung konkreter Motive und Themen ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt wird. Verweise oder Bezugnahmen, die oft als Dekoration abgehakt werden, als non-verbale Echos gesellschaftlicher oder subkultureller Diskurse, werden als Ausdruck von Zugehörigkeit, als Standort-Markierungen begriffen, die im Bezug auf ihre kommunikative und performative Funktion - als Statements - die verbale und massenmediale Diskussion beeinflussen.

Die Definition lehnt sich an der von "Nebenbeimedien" nach Ulrich Schmitz (2004) an, unterscheidet sich aber von dieser. Wichtig ist der gemeinsame Grund: es geht um Artefakte, die nebenbei Mitteilungen transportieren, also auch zu Kommunikationsmedien werden. Medien, die primär zur Kommunikation geschaffen werden, sind auf den ersten Blick nicht als En-Passant-Medien zu verstehen, sondern eben Massenmedien (Plakate, Flugblätter, Aufkleber usw.). Aber aufgrund ihrer beabsichtigten Nutzung zur Mitteilung sehr beschränkter Inhalte bedeutet ihre Umnutzung zur Kommunikation anderer Inhalte - in der Regel mit kulturell deutlich komplexerer Bedeutung und Nutzung. Hier ist eine scharfe Abgrenzung schwierig, Ulrich Schmitz versteht auch diese Medien als Nebenbeimedien, weil sie nebenbei gelesen bzw. wahrgenommen werden. (Dass zum Beispiel manipulierte Plakate aufgrund der Veränderung ihres Inhalts auch En-Passant-Medien sein können, wird nicht völlig deutlich. Denn auch wenn sich die Aussagen und der Bezug des Inhalts durch Manipulation ändert, so bleibt ein Plakat dennoch ein Plakat, dass primär Mitteilungszwecken dient. Auf der anderenSeite ist jedoch festzustellen, dass Aufkleber ebenfalls zu Mitteilungszwecken geschaffen werden, in aller Regel aber aufgrund ihrer geringen Größe in alle möglichen Zusammenhänge eingebracht (montiert) werden können und diese Zusammenhänge dabei kommentieren und umdeuten können. Plakate, die eine bestimmte Botschaft vermitteln sollten, werden durch Manipulationen umgedeutet und in ihrem Bezugsrahmen deutlich erweitert.

Vergleichbar ist die Nutzung von Geld und Briefmarken etc., deren Hauptinhalt die Vermittlung eines bestimmten Geldwerts ist, wobei die Gestaltung aber in aller Regel zugleich auf offizielle Bild-Programme verweist, die die kollektive Identität der Nutzergruppe ausdrücken sollen. So z.B. die Bilder auf Geldscheinen, die von der das Geld ausgebenden Instanz bestimmt werden unter Betonung wichtiger Personen und Ereignisser aus der Geschichte des Kollektivs, die das Geld nutzt.

Ob ein logischer Unterschied zwischen En-Passant-Medien und massenmedialen Mitteilungen wirklich aufrecht zu erhalten ist, ist noch nicht entgültig klar, scheint aber aufgrund der sehr unterschiedlichen inhaltlichen Bezugsbreite ziemlich sicher. Grundsätzlich ist es wichtig, die Unterscheidung der En-Passant-Medien von der Sammelbezeichnung "Street-Art" zu beachten.
 
In En-Passant-Medien geht es nur an zweiter Stelle um diffuse Mitteilungen, die zum Beispiel in der Qualität der verwendeten Materialien und ihrer Verarbeitung zu finden sind, sondern um Mitteilungen in Text und/oder Bild, die auf entsprechenden Trägermedien aufgebracht sind. Die Materialität der Zeichen und Zeichenträger ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Bedeutungskonstruktion, ist aber aufgrund der Abhängigkeit der kulturellen Deutungen verwendeter Materialien erheblich schwieriger zu erfassen als die Nutzung und Bewertung von Bild- und Text-Mitteilungen auf Textilien. Die Materialität von Zeichen und Bildern ist aber zu bedenken und beeinflußt Kommunikationen, die mit Hilfe von En-Passant-Medien geschehen, natürlich erheblich.

Die Klarheit der verwendeten Zeichen (also Formen und Materialien) ist kulturabhängig: Was für Insider eine klare Information sein kann, ist für Uneingeweihte gegebenenfalls nur ein Ornament. Manche Zeichen sind aber auch gruppenintern nur Ornament ohne konkreten Inhalt. Das wird am Beispiel vom Zugehörigkeitszeichen, die in Tattoos oder Graffiti ausgedrückt sein können, schnell deutlich. Wer die verwendete Sprache und ihre unterschiedlichen Zeichen nicht kennt, kann die Zeichen nicht voneinander unterscheiden, kann die Mitteilungen nicht lesen.
 
Zum Zweck der Werbung und des Schmucks werden Verpackungen - und dazu gehört auch Kleidung - gestaltet und bedruckt. Dies geschieht individuell, vor allem aber auf massenhafte Weise. Dabei werden Zeichenformen und Inhalte aus Subkulturen in die allgemeine Kultur übernommen. Der Massenmarkt versucht zunehmend schnell, sich an den Zeichengebrauch von Subkulturen anzukoppeln. Daher sind Subkulturen gezwungen, zunehmend schnell ihren eigenen - von der Masse unterscheidenden Zeichengebrauch - zu ändern. Aufgrund der Emanzipation der Verpackung vom Produkt (s. Wolfgang Fritz Haug 2009) erweitert sich die Bandbreite dessen, was auf Verpackungen und Tragetaschen usw. mitgeteilt wird.
 
Die Zusammenführung der En-Passant-Medien erleichtert die vergleichende Untersuchung der medialen Nutzung verschiedenster Objekte und Artefakte aus medienwissenschaftlicher Perspektive. Außerdem ermöglicht sie die Systematisierung der Ergebnisse zu entsprechenden Design-Entwicklungen. Die Gruppierung der En-Passant-Medien erlaubt die systematische Auseinandersetzung mit deren kommunikativen und medialen Eigenschaften, was durch Marketing-Begriffe wie Ambient Media oder sog. Guerilla-Marketing-Konzepte wie z.B. Astro-Turfing nicht geleistet wird.

Literatur:


Im Vorbeigehen.
Graffiti, Tattoo, Tragetaschen:
En-Passant-Medien

En-Passant-Medien sind also Artefakte und Objekte, die neben ihrer eigentlichen Funktion zusätzlich für die Mitteilung von Botschaften verwendet werden. Zum Zweck der Werbung und des Schmucks werden Verpackungen - und dazu gehört auch Kleidung - gestaltet und bedruckt. Aufgrund der Emanzipation der Verpackung vom Produkt erweitert sich die Bandbreite dessen, was mitgeteilt wird. Aber auch soziale Gruppen (bis hin zu Nationen) erinnern an ihre gemeinsamen Werte, vor allem ihren kulturellen Kanon, mit Hilfe von En-Passant-Medien. Sie dienen also neben ihrem Hauptzweck zugleich der Präsentation individueller und kollektiver Werte. Die Zusammensicht der En-Passant-Medien erlaubt die vergleichende Untersuchung verschiedenster Objekte und ihrer formalen und inhaltlichen Mitteilungsebenen.

Jakob F. Dittmar: Im Vorbeigehen. Graffiti, Tattoo, Tragetaschen: En-Passant-Medien
Berlin: Universitätsverlag der TU Berlin 2009, 163 Seiten, farbige Illustr., broschiert.
ISBN 978-3-7983-2123-6
Download des Volltexts im pdf-Format hier
 
"Reinforcing Local Identities Through Landmarks and Their Representations in En-passant-media : The Special Case of the Angel of the North" in: Ina Habermann (ed.): Topographies of Britain. Amsterdam: Rodopi, 2016.
 
"Graffiti als En-Passant-Medien im städtischen Raum" in: Ramona Schröpf und Georgette Stefani-Meyer (Hrsg.): Medien als Mittel urbaner Kommunikation. (Reihe Sprache - Kultur - Gesellschaft). München: Meidenbauer, 2013.
 
"British Coins: Minting a national pictorial programme." In: Anton Kirchhofer, Jutta Schwarzkopf (Hrsg.): The Workings of the Anglosphere. Contributions to the Study of British and US-American Cultures, presented to Richard Stinshoff. Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier, 2009; 193-201.
 

 
Markus Hanzer (2009): Krieg der Zeichen. Spurenlesen im urbanen Raum.
Mainz: Verlag Hermann Schmidt.
 
Wolfgang Fritz Haug (2009):
Kritik der Warenästhetik.
Frankfurt a.M.: Suhrkamp TB.
 
Ulrich Schmitz (2004): Sprache in modernen Medien.
Eine Einführung in Tatsachen und Theorien, Themen und Thesen.
Berlin: Erich Schmidt Verlag; 100-103.