Die Unterschiede des Büchermachens in DDR und BRD waren Inhalt einer öffentlichen Tagung und Ausstellung, die im Rahmen eines Seminars der Medienberatung / Medienwissenschaft im Februar 2008 veranstaltet wurden. Elmar Faber, Eckhard Hollmann und Volker Küster diskutierten mit dem Publikum.
In der Literatur zum Verlagswesen der DDR wird die zentrale Steuerung der Verlagsproduktion, die Zensur und überwachung durch die Staatssicherheit, der konstante Material- und vor allem Papiermangel betont, es fehlen Darstellungen zu den tatsächlichen und alltäglichen Arbeitsbedingungen in DDR-Verlagen. Die Vorträge und Diskussionen der Tagung setzten an dieser Stelle an und verglichen sie mit denen in der BRD.
Die grundsätzliche Position und Entwicklung der verlegerischen Tätigkeit in Ost- und Westdeutschland wurde von Elmar Faber dargestellt, der bei Edition Leipzig, anschließend beim Aufbau-Verlag Verlagsleiter war und heute den Verlag Faber & Faber leitet.
Die Veränderungen der Lektorentätigkeit vom Textbearbeiter zum Projektmanager beschrieb Eckhard Hollmann, der bei Edition Lektor war und heute Cheflektor bei Prestel ist. Dabei stellte er auch die Abhängigkeiten von politischen Kontrollen und Genehmigungsverfahren dar, die den Großteil der Arbeit eines Lektors in der DDR ausmachten und verglich dies mit den gleichzeitig in der BRD bestehenden Arbeitsbedingungen.
Der Buchgestalter und Typograf Prof. Volker Küster zeigte an seinem Lebenslauf, wie untrennbar künstlerisches und reflektierendes Arbeiten mit der Weiterentwicklung als Buchgestalter stehen und wie sehr dies der Staat zu blockieren suchte, wenn betroffene Personen den Entscheidern nicht genehm waren.
Im Fokus der Darstellung stand dabei Edition Leipzig, die in der Verlagslandschaft der DDR eine Sonderrolle eingenommen hatte, da sie für verschiedene westliche Verlage Bücher konzeptionierte und produzierte, die in der DDR unter ihrem Namen erschienen, in der BRD aber nur im Impressum dieser Bücher genannt wurde. Es entstanden Faksimile-Ausgaben historischer Handschriften in höchster Qualität. Vor allem aber gestalterisch und handwerklich hochwertige Bücher zu Kunst und kulturgeschichtlichen Themen, deren inhaltliche Position gegebenenfalls sozialistisch orientiert war, dabei aber in der Regel nicht die Parteilinie vertrat. Der Verlag war der in ausführlichen Genehmigungsverfahren etablierten Zensur in der DDR unterworfen. Er diente der Devisenerwirtschaftung und stand dabei nicht in direkter Konkurrenz zu marktwirtschaftlich arbeitenden Verlagen. Daher war für die Konzeptionierung, Gestaltung und Produktion ein größerer Zeit- und Personalaufwand möglich, der eine intensivere inhaltliche Auseinandersetzung mit dem zu gestaltenden Buch erlaubte, als in marktwirtschaftlich orientierten Verlagen. Zwar wurde deutlich mehr Zeit für die Gestaltung einzelner Titel verwandt als in westlichen Verlagen, die meiste Zeit kostete jedoch der Weg zur Druckgenehmigung. Wenn beispielsweise an der Umsetzung eines Buches drei Monate inhaltlich und gestalterisch gearbeitet wurde, dauerte es in der Regel zwei Jahre, bis der Titel gedruckt werden durfte.
Die einzelnen Vorträge der Tagung wechselten zwischen der Darstellung allgemeiner Funktionsweisen des Verlagswesens und persönlichen Entwicklungen, dem kreativen Arbeiten an hochwertigen Buchprogrammen und der Auseinandersetzung mit dem staatlichen und parteilichen Kontroll- und Genehmigungsapparat. Dabei wurde die Auswirkung der Parallelität von staatlicher und parteilicher Beeinflussung der Verlagsarbeit deutlich. Klar wurde in diesem Zusammenhang auch, dass Verlage dieser Beeinflussung nicht machtlos gegenüber standen. Vielmehr entschied der Mut und die Charakterstärke des Verlagsleiters über die Freiheit von parteilicher Beeinflussung. Im Falle von Edition Leipzig war die Leitung durch Elmar Faber ein Glücksfall, da dieser, trotz seiner Parteimitgliedschaft, eine an inhaltlicher und formaler Qualität orientierte Arbeit ermöglichte. In einem Fall setzte er beispielsweise durch, dass ein Buch ohne Druckgenehmigung veröffentlicht wurde - in der Geschichte der DDR ein Einzelfall.
In der abschließenden Diskussion wurden aber auch die bestehenden grundlegenden Unterschiede in der Wertung des Lebens und Arbeitens in der DDR deutlich. Während Elmar Faber dafür plädierte, die Entwicklung der DDR immer von ihrem Anfang und ihren Intentionen zu sehen und die individuellen Erlebnisse nicht überzubewerten, verdeutlichten gerade Beispiele aus dem persönlichen Erleben Volker Küsters und Eckhard Hollmanns, wie sowohl das Private als auch ihre Arbeit zunehmend reguliert und beeinflußt wurden. Interessant war auch, wie Elmar Faber versuchte, Entwicklungen in der DDR aus einer parteilichen und staatlichen Sicht verständlich zu machen. Im Zusammenhang mit diesen Argumenten zeigte wiederum Eckhard Hollmann, wie "zwischen den Zeilen" gelesen wird, wie Formulierungen durch übertragung in ihrer Bedeutung auf den Kopf gestellt werden können - eine Kompetenz, die im Umgang mit Texten aus der DDR wesentlich bleibt, inzwischen aber nur noch sehr begrenzt beherrscht oder berücksichtigt wird. Gerade die von Volker Küster beschriebene Verhinderung seiner künstlerischen und akademischen Entfaltung verdeutlichte das mögliche Ausmaß der Kontrolle und der Einmischung in das Leben des Einzelnen. Er zeigte die Arbeiten, von denen er weiß, dass diese Auslöser für die zunehmende Blockade seiner Tätigkeit als Dozent und Künstler waren. So konnte er verdeutlichen, wie sehr die Standpunkte der Kontrolleure von wechselnden und widersprüchlichen parteilichen Direktiven, aber auch von menschlichem Kleinmut beeinflusst waren. Dabei wurde auch die Machtlosigkeit des Einzelnen deutlich, der mit einem nicht ansprechbaren Apparat kollidiert.
Elmar Faber betonte abschließend, dass für ihn als DDR-Bürger die zunehmende Selbstbedienung bei gleichzeitiger Unerreichbarkeit der Politiker, der immer weiter gehende Rückzug aus dem Gemeinwesen das Schlimmste sei, weil er dies und den damit zusammenhängenden Niedergang einer Gesellschaft schon einmal erlebt habe.
Jakob F. Dittmar (Hrsg.): Edition Leipzig. Bücher machen in DDR und BRD. In Vorbereitung.